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Dec. 26, 2018 | 11:00 Uhr

Über den Entwickler Blizzard zu schreiben, schmerzt Cortyn inzwischen. Was ist aus dem Unternehmen geworden, mit dem man so viele Stunden der Freude verbindet?

Seit mehr als 5 Jahren schreibe ich inzwischen für Mein-MMO.de und bin zu großen Teilen für die Berichterstattung rund um World of Warcraft, Hearthstone, Heroes of the Storm und zu Teilen auch Overwatch zuständig.

Vorweg sei gesagt, dass der Artikel zu einem großen Teil auf meiner persönlichen Wahrnehmung, meiner Empfindung und Einschätzung der aktuellen Situation basiert. Ich beziehe mich dabei auf Fakten oder die Aussagen aus Interviews von anderen Seiten mit ehemaligen Blizzard-Mitarbeiten. Dennoch wird das Ganze hier vornehmlich ein emotionaler Text.BlizzCon 2018 Key Art title

Wenn ich unter den Kommentaren lese, dass „Cortyn ja gerade alles an WoW hasst“ oder „Voll ins Blizzard-Gebashe einsteigt“, dann stört mich das und stimmt mich traurig. Aus meiner Sicht steige ich in kein „Gebashe“ ein, sondern ich versuche Meinungen und Stimmungen innerhalb der Community einzufangen und wiederzugeben.

Es würde mir viel mehr Freude bereiten, nur noch News und Artikel schreiben zu müssen, die durchweg positiv sind. Ich liebe es, kleine Besonderheiten in der Community aufzuzeigen, wie etwa den bettelarmen Autor des DBM-Addons, der nach einem Hilferuf finanziell sehr gut dasteht. Ich berichte gerne über die verschiedenen Rätsel und wie die Community aus Tausenden Spielern zusammengearbeitet hat, um sie zu lösen. Ich schreibe gerne „Fluff“-Artikel, wie „7 Dinge, die du noch nicht über WoW wusstest“ oder erstelle ein launiges Warcraft-Quiz.Blizzard Games Logos title

Doch das ist nicht mein Job, zumindest nicht nur. MeinMMO ist keine Blizzard-Fanpage, selbst wenn ich mich als jahrelangen Blizzard-Fan betrachte. Es ist Teil meiner Arbeit, die negativen oder fragwürdigen Vorfälle aufzuzeigen und getreu unserem, an der Community orientierten, Ansatz darüber zu schreiben. Wenn es bergab geht, etwas scheitert oder die Stimmung in den sozialen Medien negativ ist, dann sollte das Erwähnung finden.

Ich will niemandem sein Spiel vermiesen. Wenn jemand Spaß mit World of Warcraft, Heroes of the Storm und all den anderen Titeln hat, dann bitte: Habt Spaß! Das habe ich doch auch. Aber nur weil ein Teil der Spieler oder auch ich selbst mit etwas sehr zufrieden bin, muss das nicht für die ganze Spielerschaft gelten. Über diese Probleme und Kritik muss berichtet werden, denn das gehört zu einer umfassenden Berichterstattung dazu.

Darum komme ich nun zum Elefanten, der seit Monaten im Raum steht: Was zur Hölle ist mit Blizzard passiert?

Blizzard, der unantastbare Koloss

In den vergangenen knapp 20 Jahren schwamm Blizzard auf einer schier endlosen Siegerwelle. Spiele, die von Blizzard veröffentlicht wurden, schlugen ein wie eine Bombe.

Ausnahmslos jedes Spiel, das von den Entwicklern auf den Markt gebracht wurde, war ein großer Erfolg, der von Spielern und Kritikern in den Himmel gelobt wurde. Und das zurecht.

Auch wenn ich persönlich mit Warcraft 1 und 2 nur wenig anfangen konnte, waren diese Spiele bereits prägend für das Genre.Warcraft 3 Reforged Title

Diablo 1 und 2 waren absolute Meilensteine. Auch wenn es andere Hack&Slay-Spiele gab, konnte man doch in jeder Schulklasse, in jedem Sportverein und jeder Clique Mitspieler finden, um gemeinsam die großen Übel zu beseitigen oder noch einmal diesen speziellen Dungeon zu durchlaufen, der dann endlich die gewünschte Waffe gab.

Wer einen PC besaß und diesen nicht nur für die Arbeit nutzte, der hatte mindestens ein Spiel von Blizzard auf dem Rechner.

Kein Wunder, in Korea steht das uralte StarCraft noch heute für den Inbegriff von gut ausbalancierter, taktischer Echtzeit.Starcraft 2 Legacy of the void

Kaum ein Unternehmen stampft so viele Spiele ein wie Blizzard

Doch entgegen dieser Siegesserie und Glückssträhne wird bei Blizzard bei Weitem nicht alles zu Gold, was sie anfassen. Immer wieder betonten die Entwickler und Chefs, dass man viele Spiel-Ideen auch mitten in der Entwicklung wieder verworfen habe.

Manche Spiele waren sogar schon extrem weit in der Entwicklung, wie etwa Titan, StarCraft: Ghost oder das Warcraft-Adventure mit Thrall in der Hauptrolle. Das letzte ist sogar quasi „fertig“ und kursiert spielbar im Netz herum.

Doch warum veröffentlicht Blizzard ein Spiel nie, das eigentlich fertig war? Weil Blizzard über Jahrzehnte lang einen extrem hohen Standard hatte. Wenn ein Spiel nicht ihren eigenen, nahezu perfektionistischen Erwartungen entsprach, dann wurde es schlicht nicht veröffentlicht.

„Wir wollen Spiele erschaffen, die wir selbst gerne spielen würden“ hieß es von den Entwicklern. Wurde diese Ziel verfehlt, dann erschien ein Spiel nicht.Hots Nova

Über viele dieser Titel wurde niemals berichtet, weil Blizzard sie nie offiziell angekündigt hatte. Das ist auch nur logisch, denn man möchte den Spielern nichts versprechen, was dann an der eigenen Erwartungshaltung scheitert und doch nicht veröffentlicht wird. Im Fall von StarCraft: Ghost und Titan waren schon Informationen an die Öffentlichkeit gelangt.

Die Enttäuschung darüber, dass StarCraft: Ghost eingestellt wurde, war für damalige Verhältnisse groß. Das war die Zeit, in der „Internet-Shitstorms“ noch nicht wirklich existierten und wenn überhaupt, dann ganz andere, kleinere Ausmaße annahmen, als es heute der Fall ist.

Doch Blizzard konnte sich das erlauben. Blizzard konnte einfach Spiele „ein bisschen“ entwickeln und irgendwann einstampfen, wenn es keine Hoffnung mehr gab, dass daraus etwas wurde, auf das sie stolz sind. Man sah es sportlich und entschied, das Gelernte aus dem gescheiterten Projekt für künftige Arbeiten zu benutzen.

Niemals wollte man sich die Blöße geben, den Qualitätsnamen Blizzard mit einem unfertigen oder schlechten Spiel zu verschandeln. Wenn ein Spiel noch nicht fertig war, dann spielte eine Deadline keine Rolle.

„It’s done when it’s done.“ und „Soon.“ waren feste Begriffe für Blizzardspiele. „Gut Ding will Weile haben“ und dafür wurde am Ende dann immer geliefert.

Overwatch Reunion Ashe Clsoeup TitelErst auf der BlizzCon 2018 wurde in Interviews noch einmal bestätigt, dass Blizzard bisher mehr entwickelte Spiele eingestellt als veröffentlicht habe.

Dass das nicht 100% wirtschaftlich sein kann, müsste jedem Spieler klar sein.
Dass das nur funktionieren kann, wenn die tatsächlich veröffentlichten Spiele dann absolute Kracher sind, ist die logische Konsequenz daraus.

Solange ein Hit nach dem nächsten folgte, war das kein Problem.

Doch wie wir wissen, ist es dabei leider nicht geblieben.

Der Koloss gerät ins Wanken

Blizzard war nicht unfehlbar und das wurde spätestens mit Diablo 3 zum ersten Mal richtig deutlich.

Zum Start des Hack&Slay gab es viel Kritik. Spielerisch überzeugte der Titel nicht. Er fühlte sich „ausgelutscht“ an und konnte den Zauber von Diablo 2 nicht noch einmal entfachen. Das Auktionshaus, bei dem Spieler Items gegen echtes Geld kaufen und verkaufen konnte, war ebenfalls vielen ein Dorn im Auge. Geld in einem Vollpreistitel ausgeben zu können, war damals noch verpönt und das Feedback der Community war negativ.Diablo 3

Wenige Patches später, war das „Echtgeld-AH“ dann Geschichte und ein paar weitere Patches machten aus Diablo 3 ein gutes Spiel in gewohnter Blizzardqualität – allerdings erst nachträglich.

Ein weiterer Misserfolg war die WoW-Erweiterung „Warlords of Draenor“. Während Story, Quest-Design und auch die Dungeons gelobt wurden, mangelte es der Erweiterung an relevanten Endgame-Inhalten. Die Garnison wirkte unausgereift.

Die Konsequenz war, dass Blizzard sogar die geplanten Patches verkürzte und stattdessen mehr Ressourcen in die nächste Erweiterung „Legion“ pumpte. Das führte dazu, dass ganze Handlungsstränge auf Draenor niemals richtig abgeschlossen wurden oder gar zu einem unlogischen, überhasteten Ende geführt wurden.Warlords of Draenor Alpha

Das verzieh man Blizzard aber rasch, denn „Legion“ machte alles richtig und zählt als eine, wenn nicht sogar die beste Erweiterung für World of Warcraft, die sehr viel richtig gemacht hat.

Der große Negativpunkt der Geschichte Blizzards dürfte die BlizzCon aus 2018 gewesen sein. Die große Masse an Fans, die Blizzard seit Jahren vornehmlich am PC begleitet, wartete gebannt auf die neue Ankündigung eines Diablo-Titels.

Die kam dann auch, allerdings so, wie es kaum einer wollte. „Diablo: Immortal“ sollte ein Mobile-Game sein und auch noch eines, das in Zusammenarbeit mit einem chinesischen Entwickler entsteht. Die Fans waren enttäuscht und wütend. Sie, die Core-Spieler, die Basis von Blizzards Erfolg über all die Jahre, waren nicht die Zielgruppe des neuen Spiels.Diablo Immortal Screen 4

Auf YouTube wurde der Trailer so schlecht bewertet, dass YouTube-Rewind und Justin Bieber kurzzeitig Sorge haben mussten, die Krone für „meiste Daumen runter“ zu verlieren. Dass das nicht passiert ist, liegt vermutlich nur daran, dass Gaming eben doch nicht für alle Leute auf YouTube gedacht ist.

Dass ein von Blizzard angekündigtes Spiel in breitem Maße negativ aufgefasst wurde, das gab es nie zuvor. Nie waren die Erwartungen der Fans von Blizzard so gnadenlos unterboten worden, dass sie Diablo: Immortal schon vor dem Release hassten, selbst wenn es irgendwann ein gutes Spiel sein sollte.

Das böse Activision?

Woher dieser Wandel bei Blizzard kommt, ist nicht ganz klar. Die Vermutung liegt nahe, dass der „Wandel“ begonnen hat, nachdem Activision und Blizzard zu „Activision Blizzard“ verschmolzen sind. Auch wenn in den frühen Tagen immer wieder gesagt wurde, dass man unabhängig sei und nur geschäftliche Infrastruktur teilen würde, hört man das heutzutage seltener.Activision_Blizzard_Logo

Ich will nicht beurteilen, ob der Zusammenschluss von Activision und Blizzard etwas Positives oder Negatives war, auch wenn mein Eindruck aktuell eher Letzteres ist. Doch zum damaligen Zeitpunkt schien ein Zusammenschluss logisch und notwendig, um das Unternehmen noch weiterzuentwickeln. Immerhin profitierten beide Seiten davon und in einer globalen Welt ist es immer gut, wenn man mächtiger auftreten kann.

Doch es sind Zitate, wie etwa aus dem Jahr 2009 von Robert A. Kotick, dem CEO von Activision, die mich zweifeln lassen. Vor knapp 10 Jahren sagte er nämlich, er „wolle den Spaß aus der Entwicklung von Videospielen nehmen“ und dass es für ein Unternehmen gut sei, eine „Atmosphäre der Skepsis, des Pessimismus und der Angst zu etablieren.“ Ich wünschte beim Schreiben dieser Zeilen, dass ich mir das nur ausgedacht hätte (Link zur Quelle).

Mit solchen Anführern in einem Unternehmen erscheint es nur logisch, dass die Moral sinkt. Und ich bin fest davon überzeugt: Wenn jemand an seiner Arbeit nicht Spaß hat, besonders wenn sie künstlerische Anteile hat, dann wird das Ergebnis auch nicht optimal.Hearthstone Valeera the Hollow header

In den letzten Wochen, quasi direkt nach der BlizzCon, wurden immer wieder Stimmen aus Blizzard laut, die an verschiedene Seiten herantraten und sich beschwerten.

So sei die Moral innerhalb des Unternehmens auf einem „Allzeit-Tief“ angekommen und Activision würde immer mehr Einfluss ausüben. Das bemerke man unter anderem daran, dass inzwischen die Finanz- und Marketingleute in den meisten Meetings anwesend seien und ein erhebliches Mitspracherecht haben.

Dazu werden gerade massenweise Mitarbeiter im Support und anderen Abteilungen dazu ermutigt, doch eine Abfindung zu akzeptieren und damit zu kündigen. Ressourcen werden aus allen Bereichen abgezogen, außer der reinen Spiele-Entwicklung.

Bedeutet das weniger coole Cinematics? Weniger Comics, weniger Animated Shorts, weniger Gespräche mit der Community? Vermutlich. Danke, Activision.WoW Battle for Azeroth Anduin Crybaby

Allerdings wäre es auch durchaus möglich, dass diese Bestrebungen aus Blizzard selbst kommen, weil man nun, nach einigen Misserfolgen, nach Blizzard-Maßstäbe, eine neue Struktur braucht. Ob Activision wirklich der alleinige „Buhmann“ in dieser Story ist, das Urteil will ich mir nicht herausnehmen.

Vermutlich wird die Antwort irgendwo dazwischen liegen. Die Auswirkungen von Activision und die immer größere Einflussnahme der „Marketing- und Finanzabteilung“ werden beide ihr Scherflein dazu beitragen, dass Blizzard sich im Wandel befindet.

Fragwürdige Verkaufsoptionen in World of Warcraft

Ich gehöre vermutlich zur altmodischen Generation, die Echtgeld-Käufe in Vollpreis-Spielen, die dann auch noch mit Abo monatlich bezahlt werden, nach wie vor für eine Katastrophe halten. Aber der Gaming-Markt hat sich weiterentwickelt, Geld muss reinkommen, damit kann ich leben.

Doch das Timing, das Blizzard bei World of Warcraft aktuell an den Tag legt, ist eine heillose Katastrophe.

Als das Piratenmount in Verbindung mit einem 6-Monats-Abo angeboten wurde, konnte ich noch lächeln. Das Reittier sieht cool aus und es passte zum „Piratentag“. Da ich sowieso die letzten Jahre durchgängig WoW abonniert habe, war das quasi ein Blindkauf.WoW Vulpine Familiar Mount title

Doch dann wurde es komisch. Ein großer Teil der Community von World of Warcraft ist unzufrieden. Vielen ist langweilig, weil sie mit den neuen Features, wie Insel-Expeditionen oder Kriegsfronten nichts anfangen können. Dazu sind viele Klassen aktuell in einem schlechten Zustand, weshalb manche gar keine Freude mehr finden.

Blizzard entschied sich allerdings dazu, in dieser Suppe aus negativem Feedback, die auf Reddit seit Wochen und Monaten immer weiter umgerührt wird, ein neues Reittier für stolze 25€ in den Shop zu stellen.

Auch wenn das Reittier wirklich hübsch aussieht, war der Zeitpunkt eine Katastrophe. Wäre WoW in einem guten Zustand und hätte sich gesund entwickelt, dann hätte sich wohl niemand über ein Reittier im Shop beschwert.

Doch unzufriedenen Spielern ein neues Preisschild vor die Nase zu halten, ist so ziemlich der dümmste Move, den Blizzard hinlegen konnte.WooW Abschiedspaket

Damit riss es leider noch nicht ab. Jetzt, kurz vor Weihnachten, gibt es das „See You Later“-Bundle im Shop. Viele Reittiere, Haustiere und kosmetische Items lassen sich für 50€ kaufen, die sonst 150€ kosten würden. Das Angebot ist grundsätzlich ziemlich gut, wenn man auf solche Spielereien steht, doch ein Detail stört: Blizzard schreibt, dass die Items Beginn Januar aus dem Shop entfernt werden.

Der Grund ist hier klar: Man möchte Druck erzeugen und die Angst erschaffen, etwas vielleicht für immer zu verpassen, wenn man es jetzt nicht kauft. Doch behält man sich in einem kleinen Nebensatz bei, dass die Items „vielleicht später zurückkommen“.

Wenig verwunderlich also, dass die „Verarschen kann mich mich selbst“-Posts sich in den Foren und auf Reddit nur so häuften.

WoW Geld GM title

Offenbar will man kurz vor Ende des Quartals noch einmal die Zahlen in die Höhe treiben, um die Aktionäre glücklich zu machen.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das Entscheidungen sind, die durch die „Marketing-Leute“ in den Meetings zustande kamen.

Wo sind meine Blizzard-Helden hin?

Ein weiterer Punkt, der mich jedes Mal etwas traurig macht und mich entsprechende News und Artikel nur mit schwerem Herzen schreiben lässt, ist das Fortgehen von langjährigen Blizzard-Mitarbeitern. Als Chris Metzen, der Lore-Guru von Blizzard und die Stimme hinter Thrall, Ragnaros, Varian Wrynn und einigen anderen Helden, vor einigen Jahren ging, war ich betrübt. Metzen war immer so herzlich, authentisch und vor allem ungeheuer menschlich rübergekommen und dennoch in seiner Fähigkeit, eine Fantasy-Welt zu erschaffen, einfach genial.WoW Chris Metzen Thrall title

Ich habe, im Gegensatz zu vielen anderen, nichts gegen Ion Hazzikostas als Game Director von World of Warcraft. Auch wenn man ihm seine Vergangenheit als Anwalt bei seiner oftmals schwammigen Wortwahl anmerkt, spricht er gelegentlich sehr klare Worte und erklärt, warum Änderung X durchgeführt wird. Außerdem ist er in der Lage, auch mal einzugestehen, wenn man sich einen „Fuck up“ geleistet hat und eine Mechanik gar nicht bei den Spielern ankam. Ehrlich gesagt mag ich es sogar, dass er manchmal eine klare Gegenposition einnimmt und sagt „Wir halten an X oder Y fest, weil wir daran glauben“. Das ist mir persönlich lieber als ein Fähnlein im Wind.

Dass Mike Morhaime, der gerne als „Anti-CEO“ gesehen wurde, der für Vielfalt und Kreativität stand, ebenfalls zurücktrat, war auch nicht leicht zu verkraften. Vor allem, weil jeder das Gefühl hatte, dass er nicht freiwillig geht, sondern „gegangen wurde“ um durch jemanden ersetzt zu werden, der vielleicht eher die Ansichten von Activision durchsetzen würde – wie J. Allen Brack.WoW-Mike-Morhaime-titel

Dieses Image muss sich J. Allen Brack auch gefallen lassen, immerhin sind viele der fragwürdigen Entscheidungen, wie die massenhaften „motivierten“ Kündigungen, der stärkere Druck innerhalb des Unternehmens und die mächtigere Position der Finanz-Leute direkt mit seinem Antritt geschehen.

Ob man ihm wirklich die Schuld-Karte zuschieben kann oder er einfach nur der Überbringer der schlechten Nachricht ist, lässt sich nicht so leicht feststellen.

Heroes of the Storm hat man fallen gelassen

Eiskalt erwischt hat mich die Ankündigung vor einigen Wochen, dass Heroes of the Storm sich komplett aus dem eSport zurückziehen will. Auch das Entwickler-Team wird verkleinert, denn einige Entwickler sollen künftig an anderen Titeln arbeiten. Beim aktuellen Kenntnisstand dürfte es sich dabei wohl um Mobile-Ableger aller großen Blizzard-Genres handeln.HotS Mal Ganis Dreadlord title

Allerdings bin ich davon überzeugt, dass die Entwickler zum Zeitpunkt der BlizzCon 2018 noch nicht wussten, dass Heroes of the Storm so „geschrumpft“ wird und große eSports-Turniere wie das HGC eingestellt werden. Immerhin hatte man erst auf der BlizzCon in einer Vorschau damit geworben, dass die HGC in 2019 wieder stattfinden würde.

Das Ergebnis war eine enttäuschte Community, vor allem in der Profi-Szene. Denn dort hatte man Spielern, die vom Zocken leben, kurz vor Weihnachten quasi den Job und ihre Perspektive genommen. Zahlreiche Profi-Spieler stehen urplötzlich ohne Sponsor da und ohne funktionierende eSport-Szene müssen sie sich ein anderes Spiel oder einen anderen Job suchen – von heute auf morgen. Heroes of the Storm

Allerdings bin ich naiv und gutgläubig genug, um zumindest den Entwicklern hier einzugestehen, dass sie selbst diesen Schritt auch nicht haben kommen sehen. Von daher haben nicht nur die eSportler mein Mitgefühl, sondern auch die Entwickler, die jahrelang an Heroes of the Storm geglaubt und ihre Leidenschaft in das Spiel gesteckt haben.

Bei dieser Entscheidung gab es nur Verlierer, auf allen Seiten.

Blizzard, bitte fange dich in 2019 wieder

Und jetzt sitze ich an Weihnachten und schreibe meinen vermutlich längsten Artikel dieses Jahres über ein Unternehmen, das mich länger als kein anderes durch meine Freizeit begleitet und unzählige Stunden Spaß gesorgt hat.

Blizzard ist für mich nicht einfach nur ein Spiele-Entwickler, wie es Squaresoft (heute Square Enix) oder Game Arts (kennt noch jemand Grandia?) war. Blizzard stand immer für mehr. Wenn ein Spiel das „Blizzard“-Siegel trug, dann wusste man einfach, dass es ein gutes Spiel war. Selbst wenn man einzelne Genre, wie Hack&Slay bei Diablo oder Shooter bei Overwatch nicht mochte, dann stand dennoch nie außer Frage, dass es trotzdem grandiose Spiele waren.WoW Sylvanas Jaina title

Ich hoffe, dass ich mich irre. Ich hoffe, dass das massenhafte Kündigen von Support-Mitarbeitern ein heilsamer Optimierungsprozess ist. Ich hoffe, dass das Mitspracherecht der Finanzleute am Ende hilfreich ist und zu besseren Spielen führt. Ich hoffe, dass der neue CEO nicht der personifizierte Teufel ist. Ich hoffe, dass Activision seine Finger nicht zu tief in Blizzard hat und das alles nur „Panikmache“ ist.

Doch wenn ich ehrlich bin: Ich kann nur hoffen, denn überzeugt davon bin ich nicht.

Und das tut mir weh. Es schmerzt mehr als ich dachte, dass es mich berühren könnte. Blizzard ist ein Teil meiner Kindheit, ein noch größerer Teil der Freizeit meiner letzten Jahre und dadurch auch Bestandteil meiner Arbeit geworden. Ich will nicht sehen, dass ein Spieleentwickler, der mir Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende Stunden Freude bereitet hat, plötzlich all das verkörpert, was mich an der Gaming-Industrie stört. Ich will nicht ständig negative Nachrichten schreiben müssen.

Wenn ich also einen Wunsch für 2019 habe, dann ist der ziemlich egoistisch und doch von Grund auf ehrlich: Blizzard, werde wieder das Blizzard, das ich lieben gelernt habe. Ich würde dich sonst sehr vermissen.

von Cortyn