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May. 25, 2018 | 09:00 Uhr

Fortnite deckt mit „Battle Royale“ und „Rette die Welt“ die zwei unterschiedlichen Arten von Gaming ab, glaubt unser Autor Schuhmann.

Mich beschleicht die üble Vorahnung, dass ich für „Es gibt nur zwei Arten von Games“ was auf die Hörner kriege, weil’s ja so viel mehr gibt.

Es gibt viele Genres und die Abstufungen werden immer feiner: Story-RPGs und Action-RPGs, Action-Spiele und Action-Adventure, First-Person-Shooter und Third-Person-Shooter, Echtzeitstrategie und Rundenstrategie: Alles mögliche gibt es mittlerweile an Genres und alle sind total unterschiedlich und einzigartig.

Eins hab ich in den letzten vier Jahren bei Mein MMO gelernt: Spieler hassen es, wenn ihr Game mit zu vielen anderen in einen Topf geschmissen wird.

Leute gehen schon auf die Barrikaden, wenn man Destiny mit The Division vergleicht, weil das zwei völlig unterschiedliche Spiele sind, die in ganz anderen Dimensionen existieren sollten. Natürlich.

destiny-vs-division-0612-1

Und wehe, man kommt einem Fan eines MMORPGs mit WoW als Vergleich – das hat schon Kriege ausgelöst. Keine Frage.

Dennoch: Für mich läuft’s seit der Kindheit eigentlich auf zwei Arten von Games heraus: Auf Spiele mit hoher Intensität und auf Spiele mit niedriger Intensität.

Ich glaube, kein Spiel hat das je so verdeutlicht, wie jetzt Fortnite. Und Fortnite zeigt auch, welcher Art von Games die Zukunft gehört.

Die zwei Arten von Games

Bei der einen Art von Spiel denke ich, während ich spiele, an etwas anderes. Oder ich darf zumindest daran denken. Ich darf meine Gedanken schweifen lassen. Als Kind habe ich, während ich Phantasy Star auf dem Sega gespielt habe, Alf-Kassetten gehört und kann heute noch einzelne Folgen mitsprechen, wenn sie im Fernsehen laufen.

Phantasy-Star

Bei der anderen Art von Spiel stehe ich unter Hochspannung, muss all meine Aufmerksamkeit auf das Spiel richten und mich davon vereinnahmen lassen. Denn ich muss auf akustische Signale achten, auf Kleinigkeiten, die mir sonst entgehen, und die mich den Kopf kosten können. Es gibt keinen Platz für andere Gedanken, während ich diese Art von Game spiele.

Ich war ein Fan von Spielen, die ich auf Auto-Pilot spielen konnte

Lange habe ich nur Spiele mit niedriger Intensität gespielt: Vor allem Rollenspiele, Strategie-Spiele und Sport-Simulationen. Ich hab Planescape Torment geliebt, hab Baldur’s Gate verschlungen, Stunden mit den Strategie-Welten von Europa Universalis und Crusader Kings verbracht und mochte es, in Anstoß einen Dorfverein an die Weltspitze des Fußballs zu führen.

Zwar konnten mich auch diese Games fesseln und ich konnte in der Story versinken, aber immer wieder gab es da Pausen. Man hat auf Runden-Enden bei Strategie-Spielen gewartet und konnte regelmäßig durchatmen. Vieles läuft in diesen Spielen auf Autopilot. Man setzt sich ein Ziel und verfolgt das. Aber was in der jeweiligen Sekunde geschieht, ist normalerweise nicht so wichtig.WoW Dont stand in the fire

Dark Age of Camelot und WoW – die MMORPG-Jahre

Als ich dann MMORPGs entdeckte, kam ich zum ersten Mal mit dieser anderen Art von Games in Berührung. Bei Dark Age of Camelot war das PvE zwar relativ öde und während langer Grinding-Stunden unterhielt man sich im Chat. Doch während der intensiven PvP-Stunden gab es nichts anderes als den Augenblick. Jeden Moment konnten wir auf eine andere Stammgruppe treffen und der Adrenalin-Spiegel stieg sprunghaft an.

Zumal man damals noch jeden Kampf anschließend im Forum oder im IRC diskutierte. Unmöglich, hätte meine Gruppe da schmachvoll gegen irgendwelche 08/15-Dosen verloren!

WoW Anduin Jaina Genn BfA Ship

Später bei WoW, das ich in meinen 20ern viel gespielt habe, waren die Momente wieder selten, als ich volle Aufmerksamkeit brauchte: Nur mal in einem Raid und auch da nur bei neuen Bosskämpfen musste ich mich konzentrieren. Sonst lief das im Autopilot ab. Das Zusammensein mit den anderen Raidern stand im Vordergrund.

Ich hatte bei WoW immer das Gefühl, viele spielen das in einer Art Trance.

Das scheint auch allgemein verbreitet zu sein. Ich hörte ständig: MMORPG-Fans suchen irgendwelche Serien oder Podcasts, die sie sich während des Zockens reinknallen können.

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LoL – der große Einsauger

Diese andere Art von „Gaming“ habe ich das erste Mal richtig mit LoL kennengelernt.

League of Legends war für mich total absorbierend. Man musste auf die Umgebung achten, die Mini-Map im Auge behalten, am besten noch checken, welche Ultimates gerade im Spiel waren. In jeder Minute eines LoL-Matches konnte etwas passieren, auf das man vorbereitet sein musste.

In Gesprächen im Teamspeak ging es nur noch um LoL – und um nichts anderes mehr. In jeder Sekunde musste man dem anderen zurufen können: „Inc Inc!“, „Botlane, Botlane!“ oder „Wo war Gank, du Noob? Du kannst ja gar nichts.“

LoL Jarvan IV Championship Skin

Bei einem LoL-Match gab es, zumindest für mich, keine Chance, an was anderes als an LoL zu denken. Das Spiel forderte meine komplette Aufmerksamkeit ab. Die Stunden verflogen. Das kannte ich auch vorher schon, als ich bei Crusader Kings Nächte durchgespielt und mich dann morgens verschämt ins Bett gelegt habe, um noch ein paar Stunden Schlaf zu kriegen.

Aber bei LoL war das anders. Da waren die Stunden mit dem Spiel danach einfach weg, wie ausgelöscht. Weil kein Gedanke da war, außer der Moment.

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Fortnite ist zwei komplett unterschiedliche Spiele

Bei Fortnite ist es ganz erstaunlich. Der PvE-Modus „Rette die Welt“ ist von niedriger Intensität. Die einzelnen Runden laufen nach einem klaren Muster. Höhepunkte und Überraschungen sind selten.

Man baut betulich seine Festung auf, wappnet sich gegen den Überfall und fertigt den dann mehr oder weniger methodisch ab. Zwar gibt’s auch hier in den späteren Sturmschild-Missionen einige Highlights und Momente, in denen es knifflig wird. Aber diese Momente sind selten.

Die meiste Zeit läuft „Rette die Welt“ auf niedriger Intensität ab. Man verfolgt in einem Meta-Game eine Strategie, per Grinding, Quests und Loot-Lamas langsam stärker zu werden. Die einzelne Runde oder einzelne Minute ist letztlich relativ egal.

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Ganz anders „Fortnite Battle Royale“. Das habe ich an einem Wochenende neulich ausprobiert und tatsächlich war es wieder wie bei LoL. Hohe Intensität, auf jedes Geräusch achten, die komplette Aufmerksamkeit liegt von Start bis ins Ziel bei Fortnite.

Minutenlang wartet man darauf, einen Gegner zu treffen. Und dann entscheidet sich in Sekunden, ob die Runde weitergeht, oder ob alles, was man bis dahin gesammelt und gemacht hat, wieder umsonst war.

Offenbar will die Welt Games mit hoher Intensität

Was mir zu denken gibt: Offenbar ist es genau das, was die Leute wollen. Während „Rette die Welt“ ein Nischendasein fristet, geht „Battle Royale“ durch die Decke.

Und das ist nichts, was jetzt nur für Fortnite gilt. Schon die letzten Jahre scheint diese Art von Gaming zu gewinnen. Sie spricht die jüngere Generation mehr an, die auf Events und Action in jeder Minute steht.

Das heutige Umfeld ist auch für diese Art von Games gemacht. Es will doch niemand bei Twitch jemandem zuschauen, wie er sich durch den Alltag eines Strategie-Spiels klickt. Nein, der Hit sind die „Jederzeit kann alles passieren“-Action-Spiele wie Fortnite.

Jetzt, wo Twitch zum wichtigsten Marketing-Instrument der Publisher wird, können wir uns darauf einstellen, dass diese Art von Game auf dem Vormarsch ist.Fortnite-Skin

Und auch andere merken den Unterschied zwischen beiden Games: Mütter berichten davon, dass ihre Kinder zwar schon immer gespielt haben, aber brav zum Essen kamen, wenn man sie gerufen hat. Seit sie Fortnite spielen, tun die Kinder das nicht mehr. Das Spiel ist dafür zu fesselnd.

Deshalb wird sich Epic auch schwer tun, wenn man den Spielern „Rette die Welt“ kostenlos gibt: auch wenn es dieselben Figuren und Spielprinzipien sind wie in „Fortnite: Battle Royale“, ist es doch ein ganz anderes Spiel.

Ein Game, bei dem man auch an etwas anderes denken darf, während man es spielt.

Ich bin gespannt, ob das Pendel in Zukunft wieder in eine andere Richtung schwingt. So richtig dran glauben kann ich im Moment nicht.


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von Schuhmann