World of Warcraft lockt zum achten Mal zur neuen Erkundung der Spielwelt. Cortyn erzählt, warum das noch immer so wunderbar funktioniert.
Die inzwischen siebte Erweiterung von World of Warcraft hat mich einmal mehr in den Bann gezogen und dafür gesorgt, dass ich zum achten Mal Azeroth und seine neuen Gebiete erforsche. Und schon jetzt bin ich mir sicher, dass dies auch beim neunten Mal noch der Fall sein wird.
Denn World of Warcraft ist für viele Spieler nicht „ein Spiel von vielen“, sondern das eine Spiel, das alle Jahre wieder lockt. Und der Ruf ist unwiderstehlich.
Das Gefühl zum Launch einer Erweiterung lässt sich am besten mit dem Ende einer langen Klassenfahrt aus der Schule oder einer Reise in den Urlaub vergleichen. Man hat keine Lust mehr, die anderen Urlauber oder Mitschüler gehen einem auf die Nerven und die Sehnsucht nach dem Gewohnten setzt ein.
Es ist nicht wirklich Heimweh und irgendwie war die Zeit ohne den Alltag auch ziemlich genial – aber kein Bett ist gemütlicher als das eigene.
Die perfekte Mischung aus neu und alt
Zahlreiche andere Spiele scheiterten an genau diesem Phänomen. Wer zu ähnlich wie World of Warcraft war, der konnte einfach nicht mit den Features mithalten, die Blizzard im Verlauf von knapp 14 Jahren geschaffen hatte. Nach anderthalb Jahrzehnten auf dem Qualitätsthron ist es schier unmöglich, World of Warcraft noch direkt anzugreifen.
So unmöglich, dass selbst Blizzard das mit Titan nicht versucht hat – auch wenn da noch andere Gründe mit hineinspielten.
Wer ganz anders sein wollte, der verschreckte die Spieler von World of Warcraft. Das Kampfsystem ist ganz anders? Wie, es gibt keine Berufe? Warum führen mich keine Quest durch Gebiete?
Alle Neuheiten, die auf dem Papier spannend und „anders“ klingen, wollen WoW-Spieler im ersten Moment – bis sie dann begreifen, dass sie es doch nicht wollen.
In meinem Freundeskreis sind viele, die von anderen MMOs schwärmen, ein oder zwei Wochen in diese hineinschauen und dann feststellen: Das war doch gar nicht so toll, eben weil es anders war und häufig noch nicht so ausgereift wie bei der Konkurrenz von Blizzard.
Doch jede Erweiterung von World of Warcraft findet die nahezu perfekte Balance, um weiterhin spannend zu sein. Immer wieder ändern sich die Klassen, einzelne Mechaniken werden neu implementiert oder die Grafik ein bisschen verbessert. Insel-Expeditionen fühlen sich neu, frisch und hektisch an. Sie sind unvorhersehbar und chaotisch, ohne aber zu weit vom „typischen“ Warcraft-Gefühl abzuschweifen.
Die WoW-Momente von World of Warcraft
Es gibt die so treffend benannten „WoW-Momente“, in denen ich mir denke: „Ich hätte nicht gedacht, dass ein so altes Spiel wie World of Warcraft das noch leisten kann.“
Nehmen wir als bestes Beispiel dafür die Cinematics. Die sind im Laufe der Jahre immer besser geworden. Als ich in Wrath of the Lich King das Video zur Pforte des Zorns gesehen habe, war ich begeistert.
Jetzt, in Battle for Azeroth, fällt mir noch immer die Kinnlade herunter, wenn ich sehe, wie detailliert die Gesichtszüge in den Cinematics sind: Wie eindeutig Jainas Bedauern aus ihrer Mimik zu erkennen ist. Wie Verachtung aus den Augen ihrer Mutter sprüht. Wie sich der Mundwinkel von Priscilla Aschenwind am Ende des Videos leicht anhebt, als ihr das Schicksal von Jaina überlassen wird.
All das ist mit leicht aufgemotzter Ingame-Grafik dargestellt. Vor einigen Jahren hätte ich noch jedem den Piepvogel gezeigt, der gesagt hätte, dass World of Warcraft einmal solche Cutscenes haben würde.
Nicht alles ist perfekt, aber genügend ist sehr gut
Nichtsdestotrotz ist World of Warcraft kein perfektes Spiel. Wer meine Artikel ein wenig verfolgt (oder einfach mal 2 Minuten in einen allgemeinen Chat-Kanal eines MMOs seiner Wahl schaut), der wird immer wieder Kritikpunkte finden.
Ich könnte Stunden darüber philosophieren, warum der Schattenpriester spielerisch gerade eine Katastrophe ist. Wenn meine Priesterin mit Müh und Not zwei Nahkampfgegner gleichzeitig erledigt und gerade so mit dem Leben davonkommt, ist es ungeheuer frustrierend, einen Vergelter-Paladin zu sehen, der einfach sieben Gegner, zwei feindliche Horde-Spieler, die drohende Serverwartung und drei GameMaster von Blizzard zusammenzieht und alle in wenigen Sekunden im heiligen Feuer vergehen lässt.
Beschwerden über den „Artefaktmacht-Grind“ gab es schon in Legion und sie werden mit Battle for Azeroth zurückkehren, genau so wie das Gemecker darüber, dass „alle Noobs immer kriegsgeschmiedete Items bekommen“, während man selbst leer ausgeht.
Doch diese Probleme sind so nichtig, sind Meckern auf einem so hohen Niveau, dass sie im Endeffekt kaum einen Spieler langfristig forttreiben.
Andere Spiele, andere Maßstäbe
Dabei ist es für jeden hartgesottenen WoW-Fan auch schwierig, andere Spiele fair und objektiv zu bewerten – denn Objektivität spielt bei dem eigenen Spielspaß eigentlich keine Rolle. Wenn ich urteile, was für ein MMORPG ich in der Freizeit zocken möchte, dann frage ich nicht „fair“. Ich frage nicht: „In welchen Punkten ist Spiel X genau so gut wie WoW?“
Nein, die wirkliche Frage, die ich mir stelle, ist:
„In welchen Punkten ist Spiel X besser als WoW, während es gleichzeitig genau so viel Content und Features bietet und dann noch so überzeugend ist, dass ich 14 Jahre angesammelte Spielerfahrung meines Accounts einfach liegenlasse?“
Das kann kein Spiel erreichen. Es ist schier unmöglich.
Natürlich ist das nicht „fair“. Aber was interessiert mich eine faire Behandlung von Spielen, wenn es um meinen persönlichen Spielspaß in der Freizeit geht?
Doch ganz egal, wie gut andere Spiele auch sein mögen und wie überzeugend ihre Geschichte ist: Sie können als neues Spiel niemals die Bindung der Spieler zu Warcraft und den beliebten Charakteren wie Jaina Prachtmeer oder Sylvanas Windläufer übertrumpfen.
Viele Spieler sind mit diesen Charakteren aufgewachsen, haben sie bereits vor 20 Jahren in Warcraft 3 gesteuert und mit ihnen Abenteuer erlebt. Was auch immer an WoW heranreichen will, müsste 20 Jahre Warcraft-Affinität erst aus meinem Herzen verdrängen oder mich zumindest für eine Weile vergessen lassen.
Und das ist schier unmöglich, denn die Helden begegnen mir nicht nur in World of Warcraft, sondern auch in Hearthstone oder Heroes of the Storm.
World of Warcraft ist nicht wegzudenken
World of Warcraft ist einfach ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Keines, das immerzu und permanent anwesend ist, aber ein Teil, der häufig wieder hinter der Ecke hervorlugt und mit schönen Versprechungen lockt, die es dann auch erfüllen kann.
In einer Zeit, in der ein großer Teil der Spiele für eine Woche lang erfolgreich sind und ihre Spielerzahlen dann schlagartig auf 10% des Wertes sinken, ist und bleibt WoW ein Phänomen. Ein Garant dafür, dass die Welt auch in einem oder zwei Jahren noch bevölkert sein wird.
Denn ich bin mir sicher, dass es viele Spieler gibt, die ganz ähnlich empfinden und eine vergleichbare Bindung zu Azeroth aufgebaut haben wie ich. Blizzard hat mit WoW weit mehr als ein Spiel geschaffen, ich würde es glatt als ein Stück Lebensqualität bezeichnen. Eine gewohnte Form der Entspannung, zu der man immer wieder zurückkehren kann.
Wir ist eure Beziehung zu World of Warcraft? Werdet ihr auch von jedem Addon neu begeistert und in die Spielwelt zurück gelockt?
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