Cortyn hat kein großes Interesse an Mobile Games, findet die „Gefahr“ davon ausgehend aber übertrieben. Es gibt gute Gründe, warum das PC-Gaming bleibt wie es ist.
In den letzten Tagen rollt eine Welle der Empörung durch die Gaming-Szene. Blizzard hat angekündigt, dass es zahlreiche Mobile-Games in Entwicklung hat und auch NCSoft hat gleich mehrere Titel für das Smartphone in Entwicklung. Die Sorge vieler Spieler ist, dass Mobile Games langsam jede andere Art des Zockens verdrängen wird.
Die apokalyptische Vorstellung: Schon in wenigen Jahren gibt es keine coolen Titel mehr auf dem PC oder den Konsolen.
Das halte ich aber für ausgemachten Unsinn. Es gibt nämlich einige Aspekte, die Mobile Gaming zum aktuellen Zeitpunkt und vermutlich auch in Zukunft nicht ersetzen kann.
Die fehlende Immersion
Der für mich größte Faktor ist die fehlende Immersion bei Mobile-Games. Egal wie atmosphärisch ein Spiel in der Theorie sein mag, wenn ich es auf dem Handy-Display sehe, verliert es sofort an Wert.
Gute Beispiele dafür sind NieR: Automata, Dead by Daylight oder auch Evolve (Ruhe in Frieden).
Bei diesen Spielen brauche ich einen großen Bildschirm und ein Headset. Denn nur das erlaubt es mir, vollkommen in das Spiel einzutauchen und meine Umwelt für ein paar Stunden auszublenden.
Ich will zusammenzucken, wenn plötzlich ein Killer vor mir steht. Ich will bei einem Bosskampf, dass die epische Musik in meinen Ohren dröhnt und das Adrenalin mich dazu antreibt als Charakter in einer Spielwelt eine coole Sequenz zu durchleben.
Das geht nicht mit dem Smartphone.
Nicht nur die Größe des Displays ist für mich eine Katastrophe, sondern auch die Tatsache, dass ich permanent meine Finger sehe und damit „auf der Spielfläche“ rumtatschen muss. Das geht bei Hearthstone gerade noch so, aber da brauche ich auch keine Immersion.
Der Vollständigkeit halber: Das konnte ich schon damals bei Mobile-Games auf dem GameBoy nicht. Auch wenn ich Pokemon Rot heimlich unter der Bettdecke gezockt habe, fühlte ich mich nie so sehr „im Spiel“ wie bei einem Final Fantasy IX an der PlayStation.
Die soziale und entspannende Komponente
Der zweite Punkt betrifft alle Spiele oder Spielinhalte, bei denen die Immersion nicht im Vordergrund steht. Ein großer Teil meiner Zeit beim Zocken ist „meditative Entspannung“ – das kann Farmen von Kräutern oder Angeln in WoW sein, rundenbasiertes Kämpfen in „The Darkest Dungeon“ oder eben ein paar gemütliche Runden Hearthstone. Auch Dungeonbesuche mit Freunden fallen darunter.
Dabei hänge ich oft im Discord mit Freunden und Bekannten und plaudere gemütlich, rede über Succubus und die Welt, lasse mir Memes und den neusten, beknackten YouTube-Trend zeigen. Das alles kann ich auf dem zweiten Monitor anschauen.
Oder ich schaue auf einem zweiten Bildschirm in Reddit umher, höre mir Nachrichten an, lausche einem Podcast oder schaue ein Bildbearbeitungstutorial.
Beides geht nicht mit einem Smartphone, beides entspricht nicht meinen Bedürfnissen. Da kann ich nicht „mal eben“ auf einen zweiten Bildschirm wechseln – zumindest nicht ohne Weiteres. Die Handhabung auf einem kleinen Display ist umständlich und für viele Tasks gleichzeitig einfach nicht gemacht.
Meine Augen tun schon jetzt weh
Zugegeben: Das hier ist eher so ein typisches „Alte Leute“-Argument, das auch in einer Reihe mit „Vom GameBoy bekommst du eckige Augen“ stehen könnte, aber für mich ist es ein entscheidender Faktor: Meine Augen.
Je länger ich auf ein kleines Display starre, desto mehr schmerzen meine Augen. Wenn ich mal eine Stunde Hearthstone während einer Zugfahrt auf dem Smartphone spiele, wird das richtig unangenehm.
Vielleicht ist das nur so, weil ich jahrelang an große Bildschirme wie am PC oder der Konsole gewöhnt wurde, doch es fällt mir immer wieder auf.
Das Zocken am Smartphone erzeugt dadurch schon nach kurzer Zeit ein Unwohlsein, das ich nicht los werde. Während ich am PC-Bildschirm auch gerne mal einen WoW-Release mit 24-Stunden-Dauerzocken hinkriege, würde ich das Smartphone vermutlich nach spätestens drei Stunden durchbrechen.
Ganz abgesehen davon, dass das permanente Starren auf kleine, nahe Bildschirme ohnehin gesundheitliche Folgen haben kann. Es hat schon Gründe, warum in Asien 95% der Jugendlichen kurzsichtig sind (via SWR) und auch bei uns die Zahl über 50% wächst.
Der Markt geht ja nicht weg
Das letzte, wichtige Argument für mich ist aber, dass der Markt für Konsolen- und PC-Spiele ja nicht verschwindet. Der Mobile-Markt wächst zwar rasant und erschließt auch neue Spieler, die sonst nie zum Zocken gekommen wären, aber dafür sterben die PC-Nutzer ja nicht auf magische Weise aus.
Selbst wenn Blizzard, EA, NCSoft oder sonst ein großer Publisher sagen würden: „Wir machen jetzt nur noch Mobile“ (was ich für extrem unrealistisch halte), ist der Bedarf für Spiele an PC und Konsole ja weiterhin da. Die Zocker verschwinden ja nicht und zumindest in meinem Umfeld hat auch noch keiner gesagt „Hm, ich habe nun ein Smartphone, ich glaube dann brauche ich keinen PC mehr“.
Wenn einige große Entwickler von diesem Markt verschwinden, werden andere auftauchen, die diese Lücke nur zu gerne schließen wollen.
Zusammengefasst kann Zocken auf dem Smartphone für mich niemals das aus meiner Sicht „richtige“ Gaming am PC oder auf dem Sofa in gemütlicher, entspannter Atmosphäre ersetzen.
Mal eine Runde Hearthstone oder ein Pet-Battle in WoW wird auf dem Smartphone drin sein. Aber für alles andere bleiben mir dann doch lieber die großen Bildschirme.