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May. 07, 2019 | 14:34 Uhr

MMORPGs wie World of Warcraft zeigen statistisch mit die höchste Suchtgefährdung unter den verschiedenen Gaming-Genres. Wir haben uns gefragt, warum das eigentlich so ist und eine Antwort beim Psychologen Karl Brühwiler gesucht. Dieser hat sich als Psychotherapeut auf das Thema Gamingsucht spezialisiert und gab uns einen tieferen Einblick.

Das ist der Hintergrund: Hier bei MeinMMO beschäftigen wir uns täglich mit Videospielen und sind selbst leidenschaftliche Gamer. Das gleiche gilt wohl auch für Euch, liebe Leser, denn sonst würdet ihr uns vermutlich gerade nicht besuchen. Es ist ein Hobby, das wir gemeinsam teilen und uns Freude bereitet.

Unkontrolliertes Gaming kann aber zum Problem werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschied im Jahr 2018, dass die Sucht nach Computerspielen und damit einhergehende Begleiterscheinungen offiziell als Krankheit gelten. In dem Fall spricht man von einer “Gaming Disorder”. Gerade Spieler von MMORPGs sind besonders gefährdet.

Uns hat interessiert, was hinter dieser starken Anziehungskraft von MMORPGs steckt und wieso gerade sie uns süchtig machen können. Das haben wir den Psychologen Karl Brühwiler gefragt und der konnte uns vier Gründe nennen, die bei diesem Genre herausstechen.

Karl Brühwiler, Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP) und Psychotherapeut für Integrative Körperpsychotherapie (IBP)

Wer spricht da? Der Psychologe Karl Brühwiler ist leitender Psychotherapeut an der Stiftung Albisbrunn, die Jugendliche in Entwicklungskrisen unterstützt. Herr Brühwiler ist ein Kind der 80er Jahre und selbst mit Videospielen groß geworden. In seiner Arbeit kommt er häufig in Berührung mit Gamingsucht und hat sich hier spezialisiert. Herr Brühwiler betreut den Blog gamesucht.com, auf dem er informative Artikel rund um das Thema veröffentlicht.

Herr Brühwiler erklärte uns in Textform, warum MMORPGs besonders süchtig machen. Er verfasste die folgenden Zeilen für diesen Artikel und stellte sie uns zur Verfügung:

Woher weiß man, dass MMORPGs süchtiger machen als andere Genres? Spieler von MMORPGs zeigen im Vergleich zu Spielern anderer Genres im Durchschnitt viele Suchtsymptome. Dies belegt zum Beispiel eine Studie von A. Eichenbaum und Kollegen aus dem Jahr 2015, welche eine amerikanische Stichprobe von 4744 Studierenden untersuchte.

Eine frühere Studie von Smyth und Kollegen (2007) hat auch gezeigt, dass MMORPGs im Vergleich zu anderen Genres einen grösseren Einfluss auf die Anzahl gespielter Stunden, die psychische und physische Gesundheit der Spieler und auf das Sozialleben der Spieler hatten.

World of Warcraft gehörte mit zu den ersten MMORPGs, in denen Spieler enorm viel Zeit versenkten.

Im folgenden Abschnitt sind 4 Gründe von Karl Brühwiler gelistet, weshalb MMORPGs süchtig machen:

Der soziale Reiz von MMORPGs

Bereits vor 15-20 Jahren zeigte sich, dass viele Jugendliche Gamer in die damals aufkommende erste Garde der MMORPGs wie Ultima-Online, Everquest, World of Warcraft oder Asherons Call buchstäblich “versunken” sind. Offline-Rollenspiele wie Baldur’s Gate, Fallout 1 oder Planescape Torment waren auf einmal viel weniger reizvoll. Es wurde gezockt, was das 48,8k-Modem hergab.

Empfehlenswert: World of Warcraft – Wie die MMO-Sucht meine Familie zerstört hat
In dieser persönlichen Kolumne der GameStar-Plus zeigt der Autor die Gefahren einer Online-Spielesucht auf. Und wie er durch WoW eine engere Bindung zu seinem Vater gewonnen hat. (Um die Texte von GameStar-Plus lesen zu können, muss ein bezahl-pflichtiges Online-Abonnement abgeschlossen werden.)

Auch heute haben MMORPGs noch einen starken Reiz. Spieler schließen sich zu Gilden zusammen und erlangen online einen sozialen Status. Sie erleben gemeinsame Abenteuer und fühlen sich dadurch verbrüdert. Im Gegensatz zu MOBAS wie League of Legends oder Real-time-strategy (RTS)
sind Online-Rollenspiele weniger Micro-basiert und weniger kompetitiv. Primär geht es um das Eintauchen in fantastisch gestaltete Welten und um die Entwicklung des eigenen Spielcharakters. Oftmals auch um den sozialen Zusammenschluss mit Anderen.

Zocken ist für diese MMORPG-Fans einfach ein großartiges Hobby, denn es bietet vielen Spielern ein Gefühl, was sie im realen Leben vermissen. Sie können Verantwortung in der Gruppe übernehmen, sich als Held fühlen, sich mit spannenden Stories auseinandersetzen und sich dem grauen, fordernden Alltag entziehen.

In MMORPGs ist das Gruppenspiel und die gemeinsame Abenteuerreise ein wichtiges Kern-Element.

MMORPGs und menschliche Urbedürfnisse

MMORPGs entsprechen dem urmenschlichen Bedürfnis, im sozialen Gefüge eine tragende Rolle zu spielen, sich zu entwickeln und Abenteuer zu erleben. In der Pubertät wird bei jungen Männern immer mehr Testosteron ausgeschüttet, was für die Entwicklung einer zielgeführten, positiven Aggressivität verantwortlich ist. Vor 10.000 Jahren war dies die Zeit, in der man jungen Männern einen Speer in die Hand drückte und sie damit beauftragte, bei der Jagd mitzuhelfen und dazu beizutragen, die Sippe vor Feinden zu schützen.

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Heute sitzen diese testosterongeplagten Jugendlichen im Schulzimmer und haben viel Eigen- aber nur sehr wenig Fremdverantwortung. Genau diese Urbedürfnisse, welche in der Leistungsgesellschaft (und übrigens auch beim Spielen von Offline-Spielen) nicht immer einfach zu befriedigen sind, werden in MMORPGs bedient.

Spieler sammeln Items für den Clan. Sie helfen sich gegenseitig bei Herausforderungen. Sie lernen voneinander und erleben dieselben Abenteuer. Dies ist mitunter der Hauptgrund, warum MMORPGs nach wie vor so beliebt sind und warum diese oft über eine langjährige, treue Spielerbasis verfügen.

Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Dieses Urbedürfniss findet seine Befriedigung in MMORPGs.

Hirnphysiologische Mechanismen bei Videospielen

MMORPGs erzeugen – wie andere Genres auch – durch das Droppen von Loot, das Gewinnen von XP und dem Besiegen von Gegnern auch hirnphysiologische Anreize. Jedesmal, wenn der Spieler Loot aufsammelt, einen Gegner besiegt oder XP bekommt, entsteht im Gehirn ein kleines Quäntchen von Glücksgefühlen, welche mit der Ausschüttung von Belohnungshormonen wie Serotonin und Dopamin einhergehen, welche auch beim Konsum von Drogen ausgeschüttet werden.

Im Extremfall, und bei entsprechender Prädisposition und exzessivem Konsum, entsteht mit der Zeit eine Gewöhnung des Gehirns an diese Glückshormonausschüttung, was in die Entwicklung einer Sucht münden kann.

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MMORPGs machen Spaß und haben Suchtpotential

Die Hirnphysiologischen Anreize und das Bedienen dieser menschlichen Urbedürfnisse sind der Grund, warum MMORPGs erstens so viel Spaß machen und zweitens ein hohes Suchtpotential haben. Dies heißt aber noch lange nicht, dass jemand, der viel spielt automatisch süchtig ist.

Entscheidend ist wie bei jedem Medikament, ob der Anwender damit verantwortungsvoll umgehen kann. MMORPGs können ein tolles, faszinierendes Hobby sein, welches dem Spieler die Kraft geben, einen vielleicht manchmal grauen Alltag zu überbrücken und diesen nach dem Spielen wieder mit vollem Elan in Angriff zu nehmen.

Sie können aber auch dazu führen, dass sich die Prioritäten des Spielers verschieben und die Aufgaben und Verpflichtungen des Alltags vernachlässigt werden.

Letztendlich machen MMORPGs auch einfach Spaß und dienen als willkommene Abwechslung zum Alltag.

Zusammenfassend haben wir aus den Zeilen von Herrn Brühwiler gelernt, dass MMMORPG’s:

  • über Funktionen wie Clans einen starken sozialen Faktor haben, der ein Gefühl von wohltuender Gemeinsamkeit vermittelt
  • menschliche Urbedürfnisse befriedigt, die uns im modernen Alltag teilweise abhanden kommen
  • für eine Glückshormonausschüttung im Hirn sorgen, die gerade in der Gewohnheit zu einem gefährlichen Konsum führen kann
  • ähnlich wie ein Medikament sind, bei dem es darauf ankommt, ob der Anwender damit umgehen kann
Ob MMORPGs zu einem Monster werden, das uns heimsucht oder unsere Glücks-Oase sind, liegt ganz an unserem Umgang mit dem Medium.

Wie erkenne ich, ob ich suchtgefährdet bin?

Das sind Kriterien für eine Feststellung von Gamingsucht: Laut der APA (American Psychological Association) müssen mindestens 5 der 9 Kriterien aus der unteren Grafik zutreffen, um eine Gamingsucht diagnostizieren zu können. Die APA ist ein großer nordamerikanischer Fachverband für Psychologie. Die Symptome lehnen sich dabei an die von einer pathologischen Glücksspielsucht an.

Diese 9 Kriterien sind in dem Leitfaden für psychischer Störungen (DSM-5) der „American Psychological Association“ zu finden. Dieser Katalog wird in den USA für die Definition von psychischen Erkrankungen genutzt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ebenfalls so einen Leitfaden (ICD-11-Katalog) und stellt für die Gaming-Disorder insgesamt 3 Kriterien zur Diagnose auf:

  • die Priorität des Spielens gegenüber anderen Aktivitäten
  • die Häufigkeit sowie Dauer des Spielens
  • das Weiterspielen trotz negativer Konsequenzen

Achtung: An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass eine Selbst-Diagnose nicht hinreichend ist, um eine Sucht festzustellen. Wer das Gefühl hat, dass er oder sie von (Internet) Gaming Disorder betroffen ist, sollte sich professionelle Hilfe suchen.

Hier bekommt Ihr Hilfe:

Was sagt Ihr zu diesem Thema? Findet Ihr die Gründe nachvollziehbar?