Unser Autor Schuhmann schaut auf die „Selbstversorger“ in World of Warcraft. Und findet: Das ist ein besonderer Menschenschlag in MMORPGs. Aber wie ticken Leute, die sich scheinbar auf das Ende von WoW vorbereiten? Ganz anders.
Während meiner Zeit in WoW habe ich einen Selbstversorger getroffen. Ich möchte Euch diesen ganz besonderen Typ von Spieler heute vorstellen.
Was ist ein Selbstversorger in MMORPGs? Ein Selbstversorger ist jemand, der es als persönliche Schmach und Niederlange empfindet, irgendwas im Auktionshaus von anderen Spielen kaufen zu müssen oder auf irgendwen für eine Dienstleistung angewiesen zu sein.
Sein Lebensziel ist: Alles, was er selbst in WoW braucht, mit einem seiner unzähligen Twinks herstellen zu können. Und „brauchen“ ist hier im weitesten Sinne gemeint: Eher als ein „möchte vielleicht“ oder ein „könnte ich vielleicht irgendwann mal benötigen“ oder ein „hätte ich schon ganz gern.“
Was zeichnet den Selbstversorger aus? Der Spieler hat alle Klassen in WoW als Twink.
Aber noch wichtiger: Er hat alle Sammelberufe und alle Handwerksberufe auf Maximum und spezifisch einen Charakter für jede Aufgabe. Dabei jagt er auch die absurdesten Rezepte und Gegenstände, die nur für absolute Nischen-Bedürfnisse notwendig sein mögen.
Sind Selbstversorger Powergamer? Ja, Selbstversorger verbringen eine Menge Zeit in der World of Warcraft. Aber sie spielen untypisch. Im Gegensatz zu typischen Powergamern, die eher „nach oben“ spielen, und einen Charakter möglichst stark und mit optimalem Gear ausrüsten wollten, sind die Selbstversorger darauf aus, horizontal, in der Breite, alles abzudecken. Dadurch lieben sie Twinks und Crafting.
Wie ticken Selbstversorger in WoW?
Das typische Verhalten: Um zu beweisen, dass er ein Selbstversorger ist, nimmt er gerne große Mühen auf sich. So bricht er, ohne zu zögern, auf mühselige Farmtouren in Low-Levelgebiete auf, um dort irgendwelche niedrigen Materialien zu sammeln, damit sein 12. Twink die optimale Level-Rüstung hat, sollte er ihn je wieder spielen.
Natürlich könnte er auch ins Auktionshaus gehen und für 3 Silber das Material kaufen, aber … das verbietet die Ehre.
Der schönste Moment für einen Selbstversorger: Die Stunde des Selbstversorgers schlägt, wenn irgendjemand in der Gilde einen absurden Wunsch hat und ein obskures Crafting-Rezept auf Stufe 43 sucht – am besten eins, das schon seit 8 Jahren nicht mehr relevant ist. Dann sagt der Selbstversorger freundlich: „Das kann mein Twink!“
Bereiten sich Selbstversorger auf das Ende von WoW vor?
Ich habe lange überlegt, was hinter diesem Wahn steckt. Ich dachte anfangs, es ist die Besorgnis: Wenn WoW mal stirbt und es keinen einzigen Schmied mehr auf dem Server gibt oder einen Alchemist, dann schlägt die Stunde des Selbstversorgers.
So wie sich ein „Prepper“ auf den Weltuntergang oder die Zombie-Apokalypse vorbereitet, indem er Vorräte bunkert, so kann der Selbstversorger weiterspielen, wenn in einem MMORPG sonst kein anständiges Leben mehr möglich ist.
Helfen, ohne Hilfe zu brauchen
So dachte ich am Anfang: Aber es steckt mehr dahinter. Es ist der Wunsch, anderen zu helfen, und selbst keine Hilfe zu benötigen.
Es ist eine gewisse Einstellung, mit der man durch die World of Warcraft zieht: Man will unabhängig sein, ein einsamer Wolf. Aber man will auch als der Typ gelten, der anderen hilft und zu dem andere kommen können, wenn sie Hilfe brauchen.
Selbstgestecktes XXL-Ziel
Spieler wollen Ziele: Es ist einfach ein Ziel, mit dem man wunderbar die Zeit verbringen kann.
Letztlich ist es sinnlos, sich auf den Untergang von WoW vorzubereiten, aber die Zeit geht so schön rum dabei, auch den letzten Twink noch zu einem „nützlichen Charakter“ zu machen.
Und dann mit der nächsten Erweiterung, hat man so herrlich viel zu tun, wenn man wieder in jedem Beruf aufs Maximum kommen möchte, um alle neue Rezepte zu beherrschen.
Auch wenn WoW mit der Zeit „Erfolge“ brachte, die Sache mit dem „Selbstversorger“ ist ein Ziel, das sich Spieler selbst stecken. Oft sind es diese Selbstversorger, die zu wichtigen Stützpfeilern jeder Gemeinschaft oder Gilde werden, obwohl sie die eigentlich gar nicht brauchen.
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