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Jul. 06, 2018 | 13:18 Uhr

Bei Guild Wars 2 wurde eine Entwicklerin entlassen, weil sie sich sexistisch behandelt fühlte und gegen einen Mann auskeilte. Das zeigt tiefe Konflikte in den USA und der Spielerschaft, glaubt unser Autor Schuhmann. Das Forum reddit und die Öffentlichkeit werden zum neuen Gerichtssaal.

Große Krise über die Feiertage: Über die Feiertage in den USA rund um den 4. Juli kam’s bei Guild Wars 2 zu einer mittleren Staatskrise. Eine Entwicklerin Jessica Price wollte über ihren Job bei Twitter als Autorin für Guild Wars 2 sprechen: Sie erklärte ein spezifisches Problem. Da kam ein Streamer und machte ungefragt einen Vorschlag, wie das vielleicht besser ginge. So weit, so gut.

Ich muss Euch hier nicht mögen, Ihr Männer

Entwicklerin eskaliert: Die Entwicklern fühlte sich davon aber angegriffen. Aus ihrer Sicht kam da ein „Mann und Amateur“, der ihr, einer „Frau und einem Profi“, erklären wollte, wie der Job geht. Von ihrer Warte aus, ging das gar nicht klar. Es schwingt mit: Das Verhalten zeige, dass Frauen in Augen der Männer als „minderwertig“ gelten, keine Ahnung hätten und Hilfe bräuchten.

Für die Entwicklerin war der Tipp des Streamers so, als sagte ein Amateuer einer ausgebildeten PC-Reparatur-Fachkraft: „Hast du versucht, das Ding mal an- und auszuschalten?“

Als Ärger über ihre Äußerung aufkam, machte die Entwicklerin deutlich: „Das hier ist mein Twitter-Feed. Erwartet nicht von mir, dass ich so tue, als mag ich Euch.“ Dabei hatten ihre Tweets einen durchaus männerfeindlichen Unterton. Sie wirkte ziemlich bissig.

Der Streamer zuckte merklich zusammen: So habe er das doch gar nicht gemeint. In einer normalen Situation hätte man die Sache hierbei belassen können und alle Beteiligten wären locker damit umgegangen, aber nicht in diesem Fall.

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Reddit klopft sich auf die Schulter

Riesiger Aufriss: Sowohl auf reddit als auch im Forum von Guild Wars 2 kam es zu Riesen-Threads, in denen das Thema breit diskutiert wurde. Aus Sicht der meisten Nutzer spielte da eine Frau die „Sexismus“-Karte aus, um sich berechtigter Kritik zu entziehen.

Auch wenn sich die Entwicklerin nun raushielt und sagte: „Es ist der 4. Juli, geht mal auf ein Barbecue“, tobte der Shitstorm so lange, bis die Entwicklerin entlassen wurde – ein Kollege, der sie verteidigte, ging gleich mit.

Reddit: „Gerechtigkeit hat gesiegt“, aber es gibt auch Skrupel

Spieler zufrieden: Auf reddit scheint die Community mit ihrer Leistung halbwegs zufrieden zu sein. Zwar räumt der Thread-Ersteller ein, dass die Entlassung einigen vielleicht „zu weit ginge“, andere meinten aber, hier sei der Gerechtigkeit genüge getan worden. Der Thread-Ersteller sagt weiter: Er müsse jetzt mit den Konsequenzen seiner Handlung leben, aber er sei bereit dazu, weil er das für gekämpft habe, was richtig sei.

Gamer möchten solche „SJW“-Themen nicht lesen

Was steckt dahinter? In dem Fall der Guild-Wars-2-Entwicklern zeigt sich ein Konflikt, der sich schon lange in den USA zusammenbraut. Es ist die Ablehnung eines Teils der Spielerschaft von allem, was grob unter den Begriff „SJW“, Social Justice Warrior, fällt. Auf Deutsch mag man das einen „Gutmenschen“ nennen.

Was ist ein SJW? Während bei uns der Konflikt um „Gutmenschen“ seit einigen Jahren wieder abschwillt, ist das in den USA unter Trump ein größeres Thema als je zuvor. Der „SJW“ ist in den USA ein Feindbild: Er steht für jeden, der sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt und für politische Korrektheit eintritt.

Wo ist das Problem? Aus Sicht einiger Spieler sind das Miesepeter und Jammerlappen, die allen „echten“ Spielern den Spaß mit ihrem Kram kaputtmachen wollen. Die werden daher verspottet und bekämpft, wo es nur geht.

Deshalb ist der Konflikt so groß geworden: Nur weil das Thema so ein Reizwort für viele ist und es so stark polarisiert, konnte aus einem „kleinen Konflikt“ auf Twitter so ein Riesen-Ding werden.

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Reddit als Gerichtssaal

Soziale Medien als Druckmittel: Das Reizthema „Politische Korrektheit“ ist dafür verantwortlich, dass

  • der winzige Streit auf Twitter nun auf reddit und im Forum so schnell so groß wurde
  • und dass ArenaNet mit der Kündigung der bissigen Entwicklerin reagierte

Firmen suchen den Kontakt zur Community: Die Entwicklungen im Gaming der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Community und deren Stimmung für die Entwicklung von Spielen immer wichtiger wird. Die Firmen suchen gezielt den Kontakt zu den Communities, gehen auf Anregungen und Probleme ein. Vorbildlich ist hier Epic mit Fortnite.

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Sieg gegen das Imperium: Aber der Austausch läuft in beide Richtung. Bei Star Wars Battlefront 2 wurden die Foren und Medien am Ende von 2017 dazu genutzt, gegen EA zu wettern. Als Electronic Arts es mit der Monetarisierung des Star-Wars-Shooter übertrieb, formte sich ein merklicher Widerstand, der so laut wurde, dass es EA zum Umdenken zwang. Spätestens als Disney darauf aufmerksam wurde, hatte EA keine Wahl mehr, als zurückzurudern.

Wir verhandeln doch mit Erpressern

Okay, Ihr kriegt, was Ihr wollt: Auch der Fall bei Guild Wars 2 zeigt jetzt, dass es möglich ist, über einen gezielten Shitstorm das zu erreichen, was man will. Man setzt den Entwicklern so unter Druck, dass er die Wahl hat:

  • Entweder das zu machen, was die laute Öffentlichkeit will
  • oder mit den Konsequenzen seiner Aktion zu leben

Empfindliche Studios: In diesem Fall kommt hinzu, dass Publisher jede Art von politischem Konflikt scheuen. Sie vermeiden es, eine Seite zu beziehen, weil man es sich nicht leisten kann oder will, eine Hälfte der Kundschaft zu verprellen. Das sah man zuletzt bei Ubisoft und The Division 2. Dort spielen die Entwickler zwar mit politischen Themen und Motiven, würde sich aber nie klar zu einer tatsächlichen politischen Frage bekennen, die man so oder anders sehen kann. Denn das könnte ja Kundschaft und damit Einnahmen kosten.

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Die neue Macht der Spieler

Mündige Spieler haben auch gute Seiten: Diese neue Macht der Spieler mag im Fall von Star Wars Battlefront 2 ein großer Sieg für das Gaming gewesen sei.

Aber es gibt Probleme: Im Fall von Guild Wars 2 hat es aber eine andere Note. Es wird die Entwickler von Spielern vorsichtiger machen, was sie zu den Leuten sagen, die sie künftig mehr als Kunden, denn als Spieler sehen sollten. Wenn man sich mündige Spiele wünscht, die man als Kunstform begreift, sollte man den Machern dieser Spieler auch die Erlaubnis erteilen, sich mal persönlich zu äußern, anzuecken und daneben zu liegen, ohne die Gefahr zu sehen, öffentlich gekreuzigt  zu werden.

Gute Autorin, wenn sie für GW2 schreibt: Im Fall der Entwicklerin hier spricht sich ein Mitglied der GW2-Community etwa ausdrücklich für deren fachliche Kompetenz aus. Die schreibe toll, wenn sie für Guild Wars 2 schreibe und nicht auf Twitter. Der Verlust der Autorin wegen eines Fehltritts zum Feiertag könnte sich daher als Verlust für das MMORPG und seine Spieler herausstellen. Denn so viele tolle Autoren, die immer ihr Temperament im Griff haben und Kunden wie Könige behandeln – auch in ihrer Freizeit und auf dem Privat-Accounts – wird’s nicht gehen.

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Sind Entwickler Dienstleister oder Künstler?

Die Frage ist: Sollen Spiele-Entwickler Künstler sein oder reine Dienstleister, die nach dem Motto „Der Kunde ist König“ handeln?

Sicher war das Verhalten der Entwicklerin nicht okay – aber den Job hat sie jetzt nur verloren, weil das Thema so aufgeheizt ist und Teile der Spielerschaft mittlerweile genau wissen, wie sie über reddit das bekommen, was sie wollen.

von Schuhmann