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Meinung
May. 01, 2018 | 09:49 Uhr

Wilde Pisten mit Mario und Peach, Horror-Krankenhäuser und Schießereien auf engstem Raum hautnah. Im letzten Teil unserer Japan-Reise geht es in die virtuelle Realität, genauer: in die VR-Zone Shinjuku. Das Highlight dort ist „Ghost in the Shell: Arise Stealth Hounds.“ Unser Autor Benedict hätte seinen letzten Yen gegeben, um immer wieder in die Virtuelle Realität dort einzutauchen.

In einem Land, in dem an jeder Ecke Franchise von Mangas und Videospielen steht, ist auch die Zukunft nur einen Schritt entfernt. Zwischen traditionellen Arcades und zeitgenössischen Nerd-Shops finden sich häufig VR-Center.

Das größte dieser Zentren für virtuelle Realität ist die „VR Zone Shinjuku“ im gleichnamigen Stadtteil Tokyos. Direkt am Rand des Vergnügungs-Distriktes Kabukicho befindet sich die größte VR-Einrichtung Japans.

Unser Autor Benedict hat den VR-Tempel auf seiner Reise besucht und sich selbst ein Bild von den technischen Errungenschaften unserer Zeit gemacht. Sie bringen die Zukunft ein kleines Stück näher.

VR? Was ist das?

VR, oder virtuelle Realität, ist eine fiktive und eigens für das jeweilige Programm entworfene Realität, ein eigenes Universum, in das der Nutzer eintauchen kann. Das Bbesondere daran und der Unterschied zu Videospielen ist, dass die entsprechende Welt direkt um uns herum simuliert wird.

Um das zu ermöglichen, trägt man VR-Brillen, die durch eine besondere Linse das Bild der Umgebung direkt auf unsere Augen werfen und sich mit dem Kopf drehen. Die Bewegungen passen sich an den Körper an, bei sehr fortgeschrittenen Programmen wird sogar der eigene Körper und damit die räumliche Bewegung simuliert. Controller werden dann nicht mehr benötigt.

Die Technik ist relativ neu und wird für viele Dinge benutzt, in der breiten Masse mittlerweile am häufigsten für Spiele. Sie unterscheidet sich dabei von der Augmented Reality (AR), in der die bestehende Welt benutzt und durch Digitalisierung erweitert wird. VR Zone Shinjuku people playing

Die VR-Zone: Ein realer virtueller Spielplatz

Zwar gibt es VR-Technik auch für zu Hause (für PS4, PC und sogar für Smartphones), aber sie ist sehr teuer. Deswegen kann sich nicht jeder Gamer seine eigene virtuelle Realität für zu Hause leisten. In Japan stehen deswegen VR-Center zur Verfügung, in denen man wie in einer Spielhalle die VR erleben kann.

Für eine Gebühr kann man hier in allerlei virtuelle Welten eintauchen, in denen man wahlweise einen riesigen Mech steuert, Rennen fährt oder einfach klettert. Die Grenze ist die Phantasie der Entwickler.

Einige dieser Automaten gibt es auch in normalen Arcades. Die VR-Zones bieten aber ausschließlich solche Erfahrungen, einige sogar VR-Kinofilme. Wer etwas erleben möchte, was er sich sonst nicht trauen würde oder was ihm sonst unmöglich ist, der besucht ein VR-Zentrum.

VR Zone Shinjuku floor plan

Der Raumplan der VR Zone Shinjuku

So viel kostet eine ganze Welt

Auf meiner Reise durch Japan konnte ich mir natürlich nicht nehmen lassen, ein solches Center zu besuchen. Und natürlich hätte es auch kein anderes getan, als das größte in Japan. Ein paar Fakten vorweg:

  • Die Spiele sind in Farben eingeteilt, die sie gruppieren
  • Tickets erhält man für die jeweiligen Farben oder die Spiele direkt und kann sie dann an den entsprechenden Spielen einlösen
  • Der Eintritt wird separat gezahlt
  • Die besondere Attraktion, der „Ghost in the Shell: Arise Stealth Hounds“-Shooter muss extra gezahlt werden und benötigt eine Anmeldung

Mit 4.400 Yen (ca. 33 Euro) für den Eintritt inklusive einem Ticket jeder Farbe, ist man dabei. Weitere 3.600 Yen (ca. 27 Euro) kostet der Zugang zum VR-Field-Shooter „Ghost in the Shell“. Meiner Meinung nach ein guter Preis für das, was geboten wird.

VR Zone Shinjuku Tickets

Von Angeln bis Ballern in der VR Zone Shinjuku

Die angebotenen Spiele in der VR Zone Shinjuku dürften jeden Geschmack abdecken. Für mich war es zu viel, um sie in einem Tag alle zu spielen, und für einige brauchte man auch eine Gruppe von Leuten, die sich gemeinsam anmelden.

Von einer Angel-Simulation über eine Mutprobe, eine Kletterwand (mit realer Kletterwand) bis hin zum Pilotensitz eines riesigen Roboters gab es die Bandbreite der virtuellen Realitäten zu entdecken. Einige stachen besonders heraus:

  • Mario Kart Arcade GP VR: Wer Mario Kart gerne auf den farbenfrohen Pisten und in einem echten Kart spielen will, der muss Freunde mitbringen. Das Spiel simuliert die beliebte Konsolen-Fassung, kann aber nur von Gruppen gespielt werden.
  • Dragon Ball VR Master the Kamehameha: Ein Schmankerl für alle Nerds und Dragon Ball Fans. In der Simulation erklärt Son Goku, wie die berühmte Kamehameha-Technik funktioniert – und wir dürfen sie lernen!
  • Immersive Horror Room Hospital Escape Terror: Eine ganz besondere Erwähnung bekommt das Horror-Game der VR Zone – allein, weil man die Schreie der Spieler bis zum Eingang hört. Es gilt, aus einem grotesken Krankenhaus zu entfliehen. Dass man dabei sitzt, ist geschickt gelöst: Die Spieler sitzen im virtuellen Rollstuhl, was die Hilflosigkeit nur steigert …

Eine vollständige Liste der Spiele findet Ihr auf der englischen Website der VR Zone.

Gespielt wird immer eine Runde – was im Schnitt zwischen 5 und 10 Minuten in Anspruch nimmt. Die Wartezeit ist dagegen oft mindestens 30 Minuten.

VR Zone Shinjuku Mario Kart VR

Ghost in the Shell: VR gegen andere Spieler!

Ein Spiel, für das sich das Warten auf jeden Fall lohnt, ist die „Ghost in the Shell: Arise Stealth Hounds“, das in der „Futuristic Warfare Arena“ gespielt wird. Um zu spielen, musste ich mich anmelden – und vier Stunden warten, da vorher kein Platz frei war.

Arise Stealth Hounds wird in einem VR-Field gespielt – also in einem gesamten Raum, der einzig und allein für das Spiel gedacht ist. Die Fläche entspricht etwa einem halben Fußballfeld und man kann sich dort frei bewegen – in einer vollständig simulierten Umgebung!

Gespielt wird in Teams: Die Terroristen gegen die Agenten. Man selbst ist dabei immer ein Agent, die Gegner sind immer Terroristen. Die Teams sind (nach Möglichkeit) gleich groß und es spielen echte Spieler gegeneinander – nur eben in VR!

VR Zone Shinjuku Ghost in the Shell Stealth Hounds Arise Virtual Reality Floor

Von außen betrachtet sieht das Spiel sehr seltsam aus …

Die volle Ausrüstung – mit virtueller Waffe

Als ich gesehen habe, wie das alles funktioniert, war ich schon vor dem Spielen unglaublich aufgeregt. Ghost in the Shell ist für sich schon ein cooles Setting, aber das als Shooter in VR? Erstklassig!

Als ich dann endlich an der Reihe war, traf ich meine Mitspieler: Eine Familie (Eltern mit Sohn und Tochter) und eine Freundin von ihnen. Auf gebrochenem Englisch abgemacht: Frauen gegen Männer.

Es folgte eine kurze Erklärung, wie das Spiel generell funktioniert. Eine weiße Stoff-Maske kommt aufs Gesicht, um die Brille vor Schweiß zu schützen. Dann bekommen wir alle Sensoren an Hüfte, Arme und Beine, die unseren Körper in der VR simulieren. Zum Schluss einen Rechner auf den Rücken, der das Spiel laufen lässt – und eine Knarre in die Hand.

Leider konnte ich keine Fotos mehr schießen, als ich den Spiele-Raum betreten habe – da alle elektronischen Geräte Handy in ein Schließfach gelegt werden sollten.

Ein Agenten-Briefing als Vorbereitung

Direkt danach ein waschechtes Briefing – auf Japanisch, für mich mit englischem Handbuch. Uns wird erklärt, dass wir uns in einer Einrichtung befinden, die von Terroristen angegriffen wurde. Diese gilt es nun zu verjagen und gleichzeitig wichtige Daten zu beschaffen.

Wir hören uns den Auftrag an, dann geht’s in die Schlacht. Auf dem VR-Feld stehen wir uns gegenüber, zwei Teams mit je drei Personen. Die Brillen werden uns aufgesetzt und wir sehen nur einen riesigen, weißen Raum und zwei Draht-Figuren der anderen Spieler im Team – sowie das eigene Draht-Gestell und die Waffen.

VR Zone Shinjuku ghost in the shell white field

Hacken, ballern, schleichen

Nachdem wir initialisiert und von unserem Team-Captain in die Steuerung eingeführt wurden (zielen, feuern, nachladen), geht’s dann endlich los. Der weiße Raum wird zu einem brennenden Labor mit stählernen Wänden und Trümmern überall.

Versuchen wir, durch die (virtuellen) Wände zu laufen, gibt es Strafen. Es gilt, zu vorsichtig zu sein – wer sich zu schnell bewegt, wird für die Gegner aufgedeckt. Immer wieder tauchen Koffer auf, die Daten enthalten und die ich für Punkte hacken kann – solange ich dabei nicht abgeknallt werde.

Für die nächsten Minuten, die mir viel zu kurz vorkamen, schleiche ich also durch die Einrichtung, schieße auf die Terroristen und sammle Daten der Gegner. Nach dem Sieg reichte es immerhin für Platz 2 der Runde und Platz 263 auf der Rangliste.

VR Zone Shinjuku Ghost in the Shell Results cut

Mein Fazit: Ich hätte am liebsten alles Geld für Ghost in the Shell ausgegeben!

Das Spiel läuft flüssig, Motion-Sickness hatte ich nicht, obwohl ich dafür sehr anfällig bin. Man vergisst nicht, dass man gegen andere Leute antritt, aber zugleich bleibt durch die Welt auch gleich im Gedächtnis, dass es ein Spiel ist.

Obwohl eine Runde nur wenige Minuten dauert und dafür ein ordentlicher Preis verlangt wird, würde ich es jederzeit wieder tun. Hätte ich die Möglichkeit gehabt (und hätte ich mich für mehrere Termine anmelden können), hätte ich mein Reise-Budget nur für Ghost in the Shell ausgegeben.

Für mich bringt die VR ein Stück Zukunft ins Jetzt. Besonders Spiele im Stil von Ghost in the Shell dürften gerne einen größeren Teil vom Markt beanspruchen, ich hatte noch nie ein so gutes Spielgefühl. Ich kann jedem nur empfehlen, so etwa auszuprobieren, wenn er die Möglichkeit hat.

Dies war der letzte Artikel unseres Specials zur Geschichte des Gamings in Japan. Ich hoffe, ich konnte meine Begeisterung für den Umgang mit der Nerd-Kultur gut vermitteln Euch an den Erfahrungen teilhaben lassen. Japan ist vielleicht nicht das Paradies – aber es ist verdammt cool, als Nerd dort zu sein!